05/05/2020 von Museum Angerlehner
Kultur- und Kunstgeschichte der Frau | Teil I
Aufgrund der Corona-Krise und den damit einhergehenden Präventivmaßnahmen, die zur vorübergehenden Schließung von Kultureinrichtungen führte, möchten wir Ihnen die geplanten Vorträge zum Thema „Frauen in der Kunst“ als Blogbeiträge zur Verfügung stellen, die in den kommenden Wochen veröffentlicht werden. In mehreren Teilen werden unter anderem "Kultur und Kunstgeschichte der Frau", "Berühmte Sammlerinnen" und "Frauen in der zeitgenössischen Kunst" behandelt.
Der erste Teil erzählt die historischen Hintergründe - von der Urgeschichte über Sumer, Ägypten und die Antike bis hin zum Frühchristentum.
Kultur- und Kunstgeschichte der Frau / Teil 1
von der Urgeschichte, über Sumer, Ägypten und die Antike bis hin zum Frühchristentum
Durch die Vorstellung des ursprünglich global vorherrschenden Matriarchats, während 98 Prozent der Weltgeschichte in den frühen (Hoch-)kulturen, wo es keine Kriege gab, finden Göttinnen, Priesterinnen, Heilige und Herrscherinnen sowie später auch Schriftstellerinnen und Künstlerinnen Erwähnung. Über einen kurzen Exkurs der Frauenphilosophie wird zur Kunst von Frauen bzw. zur von Frauen angeregten Kunstgeschichte übergeleitet. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich aufgrund der begrenzten Länge dieser Blogbeiträge nicht um eine chronologische Gesamtdarstellung handeln kann. Eine Vertiefung in die jeweiligen Themen kann über die Literaturliste erfahren werden. Über das Interesse der Leser freuen wir uns und erhalten gerne Ihre Anregungen und Fragen.
Aus den Anfängen der Urgeschichte sei der Komplettierung halber nur kurz auf die Venusfigurinen wie etwa die bekannte “Venus von Willendorf” (30.000 vor Christus) oder die “Schlafende aus Malta” (ca. 4000-2500 vor Christus) aufmerksam gemacht, die dem Fruchtbarkeitsritus zugeordnet werden. Ob es sich dabei tatsächlich um Göttinnendarstellungen handelt, wird kontrovers diskutiert.
Funde aus dem Mittelmeerraum belegen für die Frühzeit weiters die Göttinnen Astarte und Kybele. Frühe Überlieferungen fallen ins Bronzezeitalter ca. 3300 vor Christus, wo die Verehrung der Astarte (ugaritisch) als Himmelsgöttin und Liebesgöttin mehrerer westsemitischer Völker belegt ist. Die Göttin Kybele (griechisch) wurde als Magna Mater (Große Mutter) im antiken Griechenland angebetet.
Dieser Blog beginnt im 3. Jahrtausend vor Christus in Sumer, einem historischen Land, das sich mehrheitlich im Staatsgebiet des heutigen Irak befindet, zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris gelegen, bildeten die dort lebenden Sumerer eine Hochkultur aus und erfanden die Keilschrift.
(Hinweis: Für Interessierte bietet die Webseite der Schweizer Autorin Doris Wolf einen Einblick in die Zeit des Matriarchats in Mesopotamien VOR Sumer : https://www.doriswolf.com/wp/k1-2-das-matriarchale... Ausserdem finden sich grundlegende Informationen zum Thema des jahrtausendealten weltweiten Matriarchats in Auszügen aus ihren Büchern.)
Die sumerische Göttin Inanna wird durch die Priesterkönigin verkörpert und symbolisiert die Macht des Himmels. Sie gilt als Göttin des “Urwassers” und als Mondgöttin. Ihre Attribute sind häufig ein Kuhgehörne, eine Mondsichel, die Venus als achtzackiger- (Morgen- oder) Abendstern, oder das altägyptische Ankh-Zeichen des Lebens. Geflügelt und nackt auf Löwen stehend und von Eulen, dem Tier der Weisheit flankiert, ist sie sich ihrer Sinnlichkeit bewußt. Es lassen sich Bezüge zur Bibel herstellen, denn das Bild des ursprünglichen Paradieses wird im Garten der Inanna symbolisiert. “Dort wurde der Weltenbaum gepflanzt, der vorher durch die Göttin Lilith bewohnt war.” (s. Helmut Uhlig, Die Sumerer, 2002)
Nach der jüdischen Legende war Lilith die erste Frau Adams. Sie wollte sich nicht unterordnen und gilt daher mythologisch als die erste selbstbestimmte Frau. Gott erschuf deshalb aus einer Rippe Adams die biblische Eva (hebräisch Hewa). Diese selbstbestimmte Macht, die durch Lilith verkörpert wurde, war ein Bestandteil des Weltenbaums. Zusammen mit dem Apfelbaum, der den Baum der Erkenntnis symbolisiert, weiß Inanna über ihre göttliche Macht. Lilith ist in der Mythologie die erste Frau, die selbstbestimmt ihren Weg geht. In der Kunstgeschichte wird angenommen, dass die Darstellungen der Göttin Inanna mit der geflügelten Lilith teilweise gleichgesetzt sind. (Abb. 1. Lilith, Inanna, Hewa, Eva).
In den Traditionen der verschiedenen Hochkulturen gelten als “Göttinnen des Himmels und der Erde” in Sumer die Göttin Inanna, in Akkad, die Göttin Ishtar und in Ägypten die Göttin Isis.
Aus der sumerischen Königsliste wird deutlich, dass es am Anfang weibliche Gottheiten waren, die für den Bau der ersten Städte verantwortlich sind. Die weiblichen Gottheiten waren auf die Stärke der männlichen Gottheiten angewiesen, trafen aber allein die Entscheidungen. In Sumer, Ägypten und Babylon ist der Ritus der “Heiligen Hochzeit” üblich, durch den der König in den Dienst der “Großen Göttin” tritt.
Die Hohepriesterin vollzieht stellvertretend für die Göttin den kultischen Akt mit dem König und verleiht ihm dadurch besondere Lebenskraft und kultische Würde. Durch eine mythische Heilige Hochzeit - hierogamos - wurden die weiblichen und männlichen Kräfte miteinander verbunden.
Dieser Ritus erinnert an die Zeit, als die Hohepriesterinnen das göttliche Recht auf den Thron hatten. Hier sei eine herausgehoben, En-hedu-anna, sie lebte um 2285–2250 vor Christus und war an der Spitze beider Haupttempel von Ur und Uruk in Summer. (Zu ihren Aufgaben zählten unter anderem die Verwaltung der Tempelkomplexe, die Kontrolle der landwirtschaftlichen Großflächen und die Einführung technischer Inventionen).
Sie war eine von 13 Hohepriesterinnen in der Folge von 500 Jahren. Überliefert sind von ihr 40 poetische Hymnen an Inanna, die Himmelsgöttin. Sie war die einzige Tochter von König Sargon von Akkad und auch dessen Gemahlin. Abb. 2. Enheduanna.
Matriarchat -> Patriarchat
“Das Matriarchat gilt nicht als Umkehrung des Patriarchats, sondern stellt eine egalitäre Gesellschaftsordnung im Einklang mit der Natur dar, die ohne Unterdrückung und einseitig verteilte Reichtümer ausgekommen ist.” (s. Meret Fehlmann, 2010)
Hier sei der babylonische Schöpfungsmythos “Enūma eliš” genannt, dessen ca. 1000 Zeilen in Keilschrift auf sieben Tontafeln niedergeschrieben wurden. Dieses Gedicht ist in mehreren Abschriften aus dem 9.-2. Jahrhundert vor Christus fast vollständig erhalten. Der ursprüngliche Entstehungszeitpunkt ist unklar und übersetzt bedeutet Enūma eliš „Als oben der Himmel noch nicht genannt war."
Im Mythos wird geschildert, wie die Erde geschaffen wurde, lange vor der biblischen Schöpfungsgeschichte.
Es handelt von Apsû („der Uranfängliche“) und Tiamat („die sie alle gebar“; dargestellt als Schlange) als erste Daseinsformen. Später werden Apsû und Tiamat in einem Götterkampf von den Göttern der nächsten Generation gestürzt. Sohn Marduk ermordet besonders grausam seine Mutter Tiamat und wird neuer Gott und Herrscher. Dies ist das erste schriftlich überlieferte patriarchale Schöpfungsgedicht, welches das vorangegangene Matriarchat stürzte.
Die Göttin Tiamat ist die babylonische Nachfolgerin der sumerischen Göttin Inanna. Die babylonische Tiamat gilt als die Mutter aller Götter. Die Folge dieses Machtwechsels war, dass die weibliche Lebensschöpfungskraft und Sexualität zu Mächten des Bösen, des Unheils und der Unordnung umgedeutet wurden, die von einem männlichen Gott bezwungen werden müssen. In der Abbildung 3 erkennt man, wie Marduk seine Mutter Tiamat erdolcht. Ihr Kopf ist als Venus, der achtzackige Abendstern dargestellt und ihr Rock deutet auf die Fruchtbarkeit hin. Abb. 3. Marduk tötet Tiamat.
Ägypten
In der Ägyptischen Kultur wird die Allgöttin Isis mit ihrem Sohn Horus auch als stillende Mutter mit Kind abgebildet. Abb. 4.
Die christliche Mutter Maria-Darstellung mit dem Jesusknaben wird ikonographisch in diese bildliche Tradition gesetzt.
Die Götterwelt des Alten Ägyptens zählte hunderte Götter und Göttinnen und es fand sich wie in der späteren griechischen- und römischen Kultur immer eine Entsprechung des jeweiligen Prinzips, Pols, Geschlechts und Funktion.
Abb. 5: Die Skulptur einer griechisch-römischen Isis mit Horusknaben. Nach Apuleius von Madaura, einem eklektischen Platoniker, wird Isis zur universellen Allgöttin, die in die Mysterienkulte einweiht.
Als herausragende altägyptische weibliche Persönlichkeiten werden unter den mindestens 15 bekannten Königinnen des Alten Ägyptens (laut der britischen Ägyptologin Joann Fletcher) Hetepheres I. (um 2600 vor Christus) sowie Hatschepsut (regierte etwa von 1479 bis 1458 v. Chr. ) genannt. Sie waren Göttinnen, Priesterinnen, Mütter, Gemahlinnen, Bauherrinnen, Kriegerinnen, Diplomatinnen und Ökonominnen.
Als letzte Pharaonin gilt die Makedonierin Cleopatra VII., danach kam das jahrtausendealte Ägypten in römische Hände, wurde eine Provinz und die Kulturen vermischten sich.
Auch bei den Römern und Griechen gab es die Darstellung der Mutter mit Kind als anbetungswürdige Gottheit. Das griechische Ephesos verehrte die “Große Mutter” - die jungfräuliche Göttin Artemis. Ihre römische Entsprechung findet sich in der Göttin Diana als römische Himmelskönigin, Mond- und Sonnengöttin.
In christlicher Zeit ging die Göttin und Mutter Erde im Bild der Maria auf. So ist es nicht erstaunlich, dass in den katholischen Ländern die Gottesmutter Maria eine größere Verehrung genoss als Jesus selbst. Sie wird heute noch immer mit dem Lebenswasser (heilige Bründln), mit Bäumen, Blumen, Früchten und der Ernte assoziiert. Sie ist immer helfend, rein und mächtig. Dies kommt auch in der Ikonographie zum Ausdruck, wo sie übermächtig groß dargestellt wird und das Jesuskind klein auf ihrem Schoße sitzt. Seit dem Konzil von Ephesus 431 wurde Maria als “Gottesgebärerin” bezeichnet. Mit dem Konzil zu Nicäa 787, wo Maria als die Mutter Gottes dogmatisch festgelegt wurde, stand dem ursprünglich »heidnischen« Bild der Großen Göttin und Mutter, der Missionierung anderer Völker (die alle die Muttergöttin verehrten) nichts mehr im Weg.
Die christliche Mutter Maria wurde bereits ab dem 3./4. Jahrhundert nach Christus im Gebet angerufen (“Unter Deinem Schutz”) und das Gedächtnis Marias in die Liturgie eingeführt. Im 11. und 12. Jahrhundert fand sich der Höhepunkt im Marienkult, der Einfluss Bernhard von Clairvaux (Zisterzienser Mönch und Scholastiker) war bedeutend dafür. Die kosmische Rolle Mariens, als jungfräuliche Gottesmutter und Himmelskönigin war festgesetzt. Ihre vollkommene Sündenlosigkeit, die Heiligkeit vor ihrer Geburt, die Bewahrung vor der Erbsünde (unter Kirchenvater Augustin 354-430, war dies ein Grunddogma), Duns Skotus (Franziskaner 1266-1308) nannte es die “Voraus-Erlösung”, raedemptio praeservativa).
Die Große Göttin - die Himmelsgöttin hat oft auch 3 Zyklen - 3 Lebensalter in der Darstellung.
Die weibliche Dreifaltigkeit und die drei Bet(h)en.
Die dreigestaltige Göttin ist in unzähligen Kulturen nachweisbar und ist heute noch in Volksglauben, Volksfrömmigkeit, Brauchtum und Flurnamen lebendig. Diese drei Göttinnen wurden auch die »Drei Jungfrauen« oder BETEN genannt, denn in ihren Namen haben alle drei das BET: Borbet, Ambet, Wilbet. Im keltischen heißt bet immerwährend, ewig = unbesiegbares Leben, daher sind die drei Beten die Verkörperung und der Inbegriff des immerwährenden, ewigen, unbesiegbaren Lebens; sie sind »die drei Ewigen«, von deren Macht und gütiger Hilfe Erde, Sonne und Mond als die sichtbaren Träger der ewigen Weltwirklichkeit künden. Das Wort bit-u oder bit-o (kelt.) bedeutet nicht nur »ewiges Leben« sondern auch »Welt« – somit ist bet die Gesamtheit unserer Welt, zu der auch die Ewigkeit gehört.
Als Glaubensformel kann definiert werden:
»Welt und Zeit und Ewigkeit sind ein und dasselbe, sind nur verschiedene Erscheinungs- und Erlebensformen der einen Wirklichkeit Leben.«
Die Überwindung der Schlange
hen to pan - Eins ist alles Abb. 6.
Die Überwindung der Schlange gehört zu den immer wiederkehrenden Motiven patriarchaler Religionen. Die Verbindung von der Göttin mit einer Schlange ist bei allen Hochkulturen zu finden. Aber auch Herrscherinnen haben sich dem Motiv und Symbolhaften der Schlange bedient und ihre Gewänder oder Schmuck damit dekoriert.
So zum Beispiel gehören Schlangen um 1600 vor Christus auf Kreta zu den zentralen Bildern der Göttinnenverehrung. Weil sich Schlangen immer wieder häuten, werden sie von Urzeit an als Sinnbild der sich fortwährend erneuernden Lebenskraft gesehen. Es sind in der kretischen Kunst sogenannte Schlangengöttinnen erhalten, die im Labyrinth von Knossos hinterlassen wurden. Abb. 7. zeigt Brüste, Schoß und Arme der einen Frauenfigur sind von zwei goldenen Schlangen umwunden, die andere Figurine hält die Schlangen in den Händen.
Um 1150 vor Christus gilt Delphi in Griechenland als der “Nabel der Welt”. Delphi ist ein kultisches Zentrum der sogenannten klassischen griechischen Kultur und dokumentiert eindrucksvoll den Kampf zwischen weiblicher und männlicher Machtherrschaft. Nach der Vorstellung der frühen griechischen Bevölkerung wohnt die Große Göttin und Mutter der Erde in Delphi. Das griechische Wort delphys bedeutet übrigens Gebärmutter. Das Symboltier von “Gaia” (Mutter Erde) ist die Pythonschlange. Diese Python gibt dem Ort auch seinen ursprünglichen Namen, nämlich Pytho. Der erste Tempel in Python ist ein Göttinnenheiligtum, das von Frauen errichtet wurde, schreibt der griechische Historiker Pausanias (um 110 - nach 180 n. Chr.) Und auch für Aischylos (525/24 - 456/55 n. Chr.) ist Delphi (Pytho) der heiligste Ort der Göttinnenverehrung. Hier offenbart die Große Göttin ihre Weisheit, die ihre Priesterin Pythia als Orakelspruch an die Menschen weitergibt. Bei ihrem Ritus sitzt Pythia auf einem Dreifuß, um den sich die Schlange Pythia ringelt. Die Hand der Priesterin liegt auf dem Omphalos, einem gewölbten und verzierten Stein, mit einer Vertiefung in der Mitte, der als der “Nabel der Welt” galt. Der Stein symbolisiert den lebensspendenden Frauenleib. Omphaloi werden auch Nabelsteine genannt und kommen häufig in den frühen Kulturen als rituelle Gegenstände vor. Abb.8.
Machtübernahme
Der griechische Gott Apollo tötet der Sage nach die Pythonschlange und nimmt ihr Heiligtum in Besitz. Doch selbst noch im klassischen Griechenland spricht das Orakel von Delphi durch eine Frau, die vor dem Omphalos auf einem Dreifuß sitzt, um den sich die Pythonschlange windet. Vom Überlebenskampf der machtvollen weiblichen prophetischen Kultur gegen die Ablösung durch männliche Götter zeugen Reliefs und Skulpturen im Tempel von Delphi. Häufig sind darauf Amazonen dargestellt, die sich in wütendem Kampf den erobernden Männern entgegenstellen.
Als erste delphische Pythia wird Phemonoe genannt. Ihr wird neben Thales und Chalon die Spruchweisheit “Erkenne Dich selbst” zugeschrieben. (Sie gilt bereits als erste überlieferte Philosophin der Antike). Abb. 9.
Philosophierende Frauen
Die Kulturgeschichte der Frau ergänzend soll ein kleiner Exkurs in die antike “Philosophiegeschichte der Frau” einen weiteren Zugang vermitteln, denn Frauen denken anders. Zum Beispiel wird männliches Denken als abstrakt mit linearen Zeitvorstellungen und nekrophil (nach Mary Daly) beschrieben, wohingegen das weibliche Denken biophil, also lebenszugewandt und zyklisch definiert wird und die Gegenwart betont. Hannah Arendt führte den Begriff der “Natalität” in die Philosophie ein. Die bekanntesten überlieferten weiblichen Persönlichkeiten waren auch große Denkerinnen. (zur Philosophiegeschichte der Frau siehe Literaturhinweise)
Die Geschichte der Frauenphilosophie schreibt sich durchwegs anders als die ihrer männlichen Kollegen. Die Unterschiede begannen bereits bei der Ausbildung. Frauen hatten selten Zugang zu “akademischer Bildung” (in den jeweiligen Epochen) und ihre Lebenswelt war bestimmt durch typische Tätigkeiten für Heim und Familie. Aus diesem Grund spiegelt sich in der philosophisch behandelten Themenwahl der Frauen oft die sie unmittelbar betreffenden Probleme und Herausforderungen wie ethische Fragestellungen, Moralvorstellungen in häuslichen und ehelichen Angelegenheiten, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die herrschende Politik insgesamt sowie die Möglichkeiten zur persönlichen Selbstverwirklichung.
Frauen in der Philosophiegeschichte gibt es und sie waren eigenständig denkende und forschende Persönlichkeiten. Wie bereits seit der griechischen Antike überliefert wird, waren sie richtungsweisend für neue Gedankengänge!
Die philosophierenden Damen der griechischen Antike
Die erste greifbare Frauenfigur ist die um 612 vor Christus geborene Sappho, eine politisch interessierte Dichterin, die auch metrische und poetische Formen entwickelte. Sie stammte von der Insel Lesbos. Einzelne Teile ihrer Werke sind uns erhalten geblieben, darunter Gedichte, Hymnen und Lieder. Der Einfluss auf die spätere römische Lyrik ist bedeutend.
Im Umkreis von Pythagoras (570 - 496/7 vor Chr.) zählten mindestens 17 Frauen, die sogenannten Pythagoreerinnen zu seinen Schülerinnen, die bekanntesten sind Theano (mehrere gleichnamige darunter auch die Ehefrau), Periktione, Damo und Myia (alle lebten um 500 vor Chr.). Es wurden auch Geheimlehren weitergegeben und Pythagoras Enkelin Bitale war die letzte Erbin seines Vermächtnisses.
Aspasia von Milet (470-410 vor Chr.), die Ehefrau des Staatsmannes Perikles, gilt als hochintelligente und politisch am Geschehen beteiligte Frau. Sokrates nennt Aspasia die beste Lehrerin in Sachen Rhetorik und erwähnt, dass sie auch andere vortreffliche Redner ausgebildet hätte. Die klassische Zeit brachte bekannte Philosophien, wie das pythagoreische Harmonieprinzip oder die naturphilosophischen Lehren von Heraklit und Demokrit hervor.
Die Philosophin Diotima (um 400 vor Chr.) aus Mantineia ist aufgrund archäologischer Fundstücke gut belegt und wird unter anderem ebenfalls von Sokrates in seinem platonischen Dialog “Symposion” angeführt, wo sie ihm die Lehre von der (platonischen) Liebe vermittelt.
Sokrates Schüler war Platon (428-348 vor Chr.) und dessen Schüler war Aristoteles (384-312 vor Chr.). Als Schülerinnen Platons sind Lasthenia von Mantineia und Axiothea von Phlius überliefert. Aus späterer Zeit sind noch zwei römische Platonikerinnen, Gemina und Arria überliefert.
Aristoteles war 20 Jahre lang Schüler Platons und begründete 335 vor Chr. die peripatetische Schule in Athen. Er war auch Lehrer Alexanders des Großen. Sein Werk gilt als Grundlage der abendländischen Philosophie. Für moderne Forscherinnen und Philosophinnen (wie z.B. Judith Butler) ist Aristoteles auch hinsichtlich seiner frauenspezifischen misogynen Äußerungen bekannt. Er beschreibt die Frau als unfertigen Mann, dem nicht nur die wichtigsten körperlichen sondern auch geistigen Teile des Menschseins fehlen. Ausserdem wurde Frauen der Zugang zu seinem Unterricht verwehrt. Es gibt daher keine Schülerinnen Aristoteles, die uns bekannt sind.
Aber zeitgleich lebten und arbeiteten trotzdem Philosophinnen wie Lais und Arete von Kyrene. Aretes Vater, Aristippos, war der Begründer der kyrenischen Schule in Athen, die Arete selbst 35 Jahre lang geleitet und dort Naturwissenschaften, Moralphilosophie und Ethik lehrte.
Danach folgten Epikureerinnen wie Leontion, Themista und Theophila (4.-3. Jh. vor Chr.) und die bekannte Kynikerin Hipparchia, die mit ihrem Mann Krates durch das Land zog, alle weltlichen Güter aufgegeben und bedürfnislos.
Während der Besetzung der Römer auf griechischem Gebiet gab es wenig neue philosophische Entwicklungen. Das Christentum setzte den heidnisch eingestuften philosophischen Lehren und der herrschenden geistig kulturellen Blüte unter anderem durch die Schließung der platonischen Akademie 529 nach Chr. vorerst ein Ende.
Die philosophische Strömung des Neuplatonismus im 3.-6. Jahrhundert, begründet durch Plotin (um 205-270) konnte wieder Anhängerinnen gewinnen. Hypatia von Alexandria gilt als die bekannteste Vertreterin. Daneben sind auch Amphiclea, Asklepigenia und Sosipatra überliefert.
Hypatia von Alexandria (370-415/6) war Mathematikerin, Astronomin und Philosophin, sie unterrichtete das Gedankengut Sokrates und Platons, war also auch Synkretikerin und vermutlich auch Kynikerin. Zeit ihres Lebens unverheiratet geblieben, widmete sie sich ganz der Lehrvermittlung, auch im öffentlichen Raum, das zu spannungsreicher Kritik führte. Möglicherweise 60jährig wurde Hypatia Opfer politisch-religiöser Machtkämpfe zwischen dem paganen Präfekten Orestes und dem christlichen Patriarchen Kyrill von Alexandrien und wurde durch eine aufgehetzte Meute christlich militanter Fanatiker ermordet.
Die Überlieferung ihres Todes zeigt Ähnlichkeiten mit der mittelalterlichen Legende der Märtyrerin Katharina von Alexandria (nur der Standpunkt der Glaubensrichtungen ist vertauscht) und als weiteres Beispiel lässt die Tradierung der byzantinischen Kaiserin Eudokia Makrembolitissa, (lebte im 11. Jahrhundert) - sie sei “eine zweite Theano (Frau des Pythagoras) oder Hypatia genannt worden - erkennen, dass Hypatia noch im mittelalterlichen Byzanz als Vorbild für eine ausgesprochen hochgebildete Frau galt!
Die philosophische Tradition der griechischen Antike hat mit der neuplatonischen Schule ihr Ende gefunden. Sie steht mit ihrem Begriff der “Weltseele”, der als höchstes Wesen verstanden, mit Gott gleichgesetzt werden kann, am Anfang der christlichen Philosophie und zeitlich am Beginn des Mittelalters. (Exkurs Antike Philosophiegeschichte der Frau Ende)
Fortsetzung im nächsten Blogbeitrag: Kultur- und Kunstgeschichte der Frau / Teil 2
verfasst: Mag. Marlene Elvira Steinz
Hinweis: Literaturliste befindet sich im Blogbeitrag "Kultur- und Kunstgeschichte der Frau / Teil 2"
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