Bedeutende Sammlerinnen der Geschichte Teil I

Der dritte Teil der Reihe "Frauen in der Kunst" stellt die erste umfassende Kunstsammlerin der Geschichte vor. 


Jeder Kenner und Interessierte der italienischen Renaissance, sei es im Bereich der politischen Geschichte, der Literatur, der Musik, der bildenden Kunst und des Sammelwesens, stößt unweigerlich auf Isabella d’Este, Tochter von Ercole I. d’Este, Herzog von Ferrara und Leonora von Neapel und der Tochter von König Ferdinand I. von Neapel. Sie ist nicht nur integraler Bestandteil der Kultur dieser Epoche, sie ist eines ihrer Phänomene.

Die Estes gehörten zu den ältesten Herrschaftsgeschlechtern Italiens, welches in viele kleine territoriale Stadtstaaten eingeteilt war. Unter ihrer Regentschaft hatte sich der Stammsitz Ferrara mit prächtigen Renaissancepalästen, einer Universität, der Förderung von Wissenschaft und Kunst, vor allem Musik und Theater, zu einem bedeutenden Zentrum von Geist und Kultur entwickelt. Das humanistische Bildungsideal hat durch das Prinzip der freien Entfaltung der individuellen Persönlichkeit auch den fruchtbaren Boden für die Bildung von Frauen bereitet. 


Die bedeutendste Kunstmäzenin der Renaissance, Isabella Estensis (1474-1539), war der Könige von Aragon Enkelin, Tochter und Schwester der Herzöge von Ferrara, Gattin und Mutter der Markgrafen Gonzaga. Isabella hatte als Frau eine außergewöhnliche und umfangreiche Erziehung genossen. Sie wurde in Latein unterrichtet, in griechischer und römischer Geschichte und in der klassischen Literatur. Sie konnte Zither, Laute und Flöte spielen und besaß eine schöne Singstimme. Sie hatte großes Interesse an geographischen Landkarten und an der Astrologie. Als Schach- und Kartenspielerin war sie dem Glücksspiel und seiner Unvorhersehbarkeit zugewandt. Das sich auch in den visuell komponierten Lottobündeln wiederfindet, die sie in den von ihr beauftragten Werken und in der Ausgestaltung ihrer Grotta und ihres Studiolo symbolisch einbezog. In ihrem persönlichen Motto “Nec Spe Nec Metu” (lat. weder Hoffnung noch Furcht) zeigt sich ihre willensstarke und selbstbewußte Persönlichkeit, die ganz dem Zeitalter des Humanismus entspricht. Isabellas Lebensphilosophie ist gekennzeichnet durch sinnvolles bedeutendes Handeln; leere Muße, Untätigkeit waren stets ihr Feind. Offensichtlich hatte diese hochgebildete Frau ein klares, gesteigertes Bewusstsein für die Zeit und deren unwiederbringlichen Verlauf.

Als Königsenkelin und Herzogstochter konnte Isabella d’Este in ihrer Hofhaltung, ihrem Aktionsfeld und ihrer Selbstverwirklichung herrschaftliche Ansprüche stellen. Ihr umfangreiches Wissen, zeigte sich auch nachhaltig in diplomatischem und politischem Geschick. Ihr Sohn Federico erreichte die Herzogswürde für Mantua und sie erwirkte den Kardinaltitel für einen weiteren Sohn Ercole. In Rom gelang es ihr während des Sacco di Roma den Palazzo Colonna (dieser blieb der einzige Palast in Rom, der nicht geplündert wurde!) als eine Zuflucht für 2.000 Adelige und Dienerschaft einzurichten und sich gegen die Plünderung und Ermordung durch die Soldateska zu wehren, wo ihr Sohn Ferrante, als einer der Kommandeure des kaiserlichen Heeres Karls V. sie befreien konnte. Zudem gilt Isabella d’Este als die erste Förderin und Sammlerin der Künste.

“Zwar traten schon vor Isabella Frauen gelegentlich als Mäzene auf, doch fast nur auf dem Gebiet der Sakralkunst oder in Bereichen des Kunsthandwerks. Als Auftraggeberin von Werken der Malerei, Skulptur, Bronze und Kleinkunst erlangte sie eben solche Berühmtheit, wie für ihre außerordentlichen Errungenschaften als Sammlerin von Werken der Antike, die damals zum Teuersten und Rarsten gehörten und das Prestige jedes Sammlers ausmachten.” (siehe Literatur: Sylvia Ferino-Pagden)

In einem 1542 (drei Jahre nach ihrem Tod) vom Notar Odoardo Stivini angelegten Inventar der Gegenstände in Isabellas Grotta und ihrem Studiolo wurden 1620 Gegenstande aufgenommen. Zu ihren Glanzzeiten dürften es bedeutend mehr gewesen sein, aber sie tauschte auch regelmäßig Kunstwerke gegeneinander ein, um ihrer Meinung nach noch wertvollere Preziosen zu erhalten. Neben den Gemälden und Skulpturen fand sich auch Kleinkunst wie Cameen, Medaillen und Münzen, sowie antike Vasen und eine Bibliothek voller Bücher, da sie sich neben den aktuellsten europäischen Ritterromanen auch immer die neuesten Abschriften aller wissenschaftlichen Fachgebiete zukommen ließ. Ihre Neugierde und der immense Wissensdrang war überall bekannt und wurde genährt, sie dafür gelobt. Abb 2. Stivini-Inventar, 1542

Keine andere Zeit als die Renaissance wußte eine individuelle, willensstarke und klarsichtige Persönlichkeit besser zu schätzen und sich entfalten zu lassen. Denn diese Zeit, die als Wiedergeburt des antiken Geistes endlich gebildete Frauen anerkannte, und sie sogar als Vorteil für den Mann rühmte, der gewissermassen durch geistreiche Konversation mit den Damen einen moralisch-ethischen Genuss und eine Erhöhung seines Wesens erfährt.
Abb 3. Berühmte Frauenpersönlichkeiten der Renaissance

Der Humanismus ist die wesentliche Geistesbewegung der Renaissance. Die Proportionsstudie des Vitruvianischen Menschen von Leonardo da Vinci (1452-1519) kann beispielhaft für die neue Weltsicht betrachtet werden. Abb 4.
In ihr wird der Mensch ins Zentrum gesetzt und zum Maßstab für ein neues Ordnungssystem proklamiert. Damit wird der Beginn der neuzeitlichen anthropozentrischen Weltsicht und die Ablösung des theozentrischen Weltbild des Mittelalters festgesetzt. Künstler und Wissenschaftler werden nicht mehr als anonym angesehen, sondern traten mit einem Selbstbewusstsein auf. Ihre Werke galten als individuelle Schöpfungen von hohem Wert und Rang. Neben der Neubestimmung des Verhältnisses der Kunst zur Natur und der Verehrung der Antike stellte die Renaissance auch die Frage nach dem Wesen der Schönheit. Die Künstler aller Gattungen versuchten z.B. den idealschönen Menschen darzustellen, im Innen wie im Außen.

Der deutsche Kunsthistoriker und Museumsdirektor Jan Lauts (1908-1993) hat in seiner unübertroffenen 1952 erschienenen, Isabella gewidmeten Biographie, im Vorwort ihre Persönlichkeit und ihren Charakter folgendermassen dargestellt: “Viele bedeutende Frauen hat diese Zeit hervorgebracht, doch keine, die nach Begabung und Persönlichkeit Isabella d’Este, der Markgräfin von Mantua, überlegen gewesen wäre; keine, die mit größerem Recht das Italien der hohen Renaissance zu repräsentieren vermochte.
Alle Forderungen, die Baldassarre Castiglione als Wortführer seiner Generation an die vollkommene Dame stellt, scheint, sie in ungezwungener Selbstverständlichkeit einzig aus dem natürlichen Wuchs ihres Wesens zu erfüllen; so erhebt die bewundernde Anerkennung schon der Mitlebenden sie einmütig zur arbitra und ungekrönten Königin Italiens.
Ein von unerschöpflicher Vitalität genährtes, lebhaftes und willenskräftiges Temperament von weltzugewandter, weltfroher Offenheit, eine durch sorgfältige Erziehung entwickelte, reiche geistige Veranlagung und künstlerische Sensibilität befähigen sie dazu, in der Rolle einer prima donna del mondo (sic nach dem Sonettendichter Nicolo da Correggio in seinem Werk Fabula de Psiche) die damals für ganz Europa vorbildliche gesellschaftliche Kultur der italienischen Renaissance darzustellen. (…)”

Die erhaltenen Papiere des Archivio Gonzaga zu Mantua und seine mit Sorgfalt und Konsequenz geführten “Copialettere” geben in seltener Vollständigkeit einen umfangreichen Blick in die Korrespondenz der Fürstin und ihres Kreises. Das erhaltene Konvolut des Gonzaga Archivs in Mantua zählt rund 28.000 (teilweise kopierte) Briefe, die an Isabella adressiert sind und ca. 12.000, die von ihr verfaßt wurden. Ihr Wirken in Mantua ist durch diesen erhaltenen Schriftverkehr sehr gut dokumentiert.
“Von den geheimsten und verschlungensten Fäden der hohen Politik hinab zu den intimsten Einzelheiten des Täglichen umfassen die Briefe in überaus charakteristischer Form alle Lebensäußerungen.” (siehe Literaturhinweis Jan Lauts)

Isabella d’Este korrespondierte und verhandelte mit den berühmtesten politischen Persönlichkeiten der Geschichte, den Königen Frankreichs, Ludwig XII. und Franz I., den Kaisern Maximilian I. und Karl V., den Päpsten Julius II., Leo X. und Clemens VII. Sie verkehrte mit den hervorragendsten Humanisten und Literaten ihrer Zeit, Pietro Bemba, Ariosi, Sannazaro, Tebaldeo und Navagero.
Und sie versuchte die bedeutendsten Künstler zu beschäftigen und besaß Werke von Mantegna, Leonardo, Michelangelo, Correggio und Tizian.
Als gesellschaftlicher Mittelpunkt war sie tonangebend in Sachen Mode, berühmt waren ihre Kopfbedeckungen (capigliari) und tiefen Dekolletés, die in Italien und Frankreich übernommen wurden. Abb.5. zeigt Tizians Bildnis eines Bildnisses eines Bildes von Isabella.

Sylvia Ferino-Pagden schreibt im Ausstellungskatalog des KHM: “Konnte sie sich an Schönheit mit ihrer berühmt-berüchtigten Schwägerin Lukrezia Borgia kaum messen, stellte sie diese allein durch ihr Auftreten und ihre Erscheinung in den Schatten.”

Großes Aufsehen erregte dabei ihr selbst entworfenes Kleid, das sie mit ihrer Pausen-Imprese dekorieren ließ. (Näheres zu Impresen folgt) Abb. 6.

Zu den Porträts sei erwähnt, dass keine Gemälde ihr Lebensalter von 26 bis 54 Jahren abbilden. Die identifizierten Porträts gelten allerdings auch als inhomogen, da sie unterschiedliche Farben der Haare, Augenbrauen und Augen aufweisen. Ihre von ihr akzeptierten Porträts wurden in unterschiedlichen Medien kopiert und als Geschenke versandt. Diese waren hochbegehrt und Überlieferungen erzählen vom Dank der Bedachten und meinten, nun “säße Isabella höchstpersönlich an ihrem Tisch.”

Vor Isabellas öffentlichem Auftritt in der Kunstszene und im Sammelwesen war dieser Bereich fast ausschließlich dem männlichen Geschlecht vorbehalten. Isabella gilt auch nach wie vor als erste Frau, die sich in ihren Gemächern ein Studiolo, ein dem Studium und der Beschäftigung mit den Künsten gewidmeten Raum schuf, dem sie bald einen weiteren dazugesellte, der ihre Sammlung erlesener Kunstobjekte aufnehmen sollte, die Grotta.
Diese Räume wurden so prunkvoll und erlesen ausgestattet, dass sie sich mit den berühmtesten Vorbildern, dem Studiolo ihres Onkels Lionello d’Este in Belfiore oder den Studienräumen des Herzogs von Urbino und Gubbio, Federico da Montefeltro messen konnten. Ihre Sammlung war in ganz Italien berühmt, zählte zu den Sehenswürdigkeiten und wurde auch von hohen Staatsbesuchern besichtigt.

Isabellas Mäzenatentum erstreckt sich über fast fünfzig Jahre und beinhaltet zwei Künstlergenerationen: die der ausgehenden Frührenaissance, Mantegna, Bellini, Perugino, Costa, aber auch Meister der Hochrenaissance wie Leonardo, Michelangelo, Raffael, Giorgione, Tizian und Correggio. Auch auf dem Gebiet der plastischen Künste versuchte sie die damals bekanntesten Meister in ihre Dienste zu ziehen: Giancristoforo Romano, der um 1500 fast so berühmt war wie Michelangelo, sowie den nach seiner Vorliebe für antike Werke “Antico” benannten Jacopo Bonalcolsi, ferner Pietro und später auch Tullio Lombardo.
“Kunst war für Isabella d’Este ganz einfach ein persönliches Anliegen, ein Teil ihres Selbstverständnisses. Dennoch gab ihr diese Beschäftigung die Möglichkeit, sich einen eigenen Aktionsraum zu schaffen, in dem sie Herrin war und ihre Vorstellungen mit der ihr so reichlich gegebenen Phantasie realisieren konnte.” (siehe: Sylvia Ferino-Pagden)

Isabella war nicht nur die erste Frau, sondern überhaupt die erste Auftraggeberin in der Kunst, die einen großen Reiz darin fand, Kunstwerke mit einander zu vergleichen, um deren individuelle Qualitäten besser fassen zu können. Der “Paragone”, der Vergleich/Wettstreit zwischen Werken verschiedener Künstler, verschiedener Zeiten und auch verschiedener Kunstgattungen, wie zwischen Literatur und Malerei, interessierte sie offensichtlich besonders. Leonardo da Vincis berühmtes “Mädchen mit dem Hermelin” ließ sie sich aus Mailand kommen, um es mit einem Porträt Bellinis zu vergleichen und herauszufinden, wer auf dem Gebiet der Porträtmalerei der bessere Maler sein mochte. Allerdings war es Gian Giorgio Trissinos “literarisches Porträt" der Marchesa, das 1514 diesen Wettstreit durch eine Mischung von Realität und Idealisierung zu gewinnen schien. Ein literarisches Porträt sagte ihr mehr zu, als jegliches Gemälde von ihr. Dieses Ritrati von Trissino wurde bereits 14 Jahre vor Baldasarre Castigliones berühmter Schrift Il Libro del Cortegiano verfasst. Trissino lobt in hymnischen Gesängen ihre Tugenden, ihre Klugheit und Weisheit. So wird Isabella zur vollkommenen Regentin und Frau erhoben, die gemessen an Vorbildern der Antike “nur sich selbst und keiner anderen gleicht.”

Nur die Werke der besten Meister Italiens durften ihr Studiolo schmücken und in den Briefen an die einzelnen Künstler, die dazu beitragen sollten, machte sie das auch unmißverständlich klar. Dies führte natürlich dazu, dass einige Künstler sich einem solchen Wettbewerb nicht gewachsen fühlten, und Meister wie Giovanni Bellini und Leonardo da Vinci darauf erst gar nicht eingehen wollten.

Isabellas große Liebe galt den Fabeln, den Storie, die die Wände ihres Studiolo schmücken sollten. Bereits Leon Battista Alberti, der große Kunsttheoretiker der Frührenaissance, hatte die Storia als größte Aufgabe des Malers gepriesen und Mantegna konnte solche wie nur wenige andere Künstler seiner Zeit bildlich darstellen. Seine ersten beiden Bilder für das Studiolo sollten den Maßstab festsetzen, ja zum Wettbewerb herausfordern. Abb 7. Andrea Mantegna, Parnass.

Von ihren Humanisten forderte Isabella d’Este gefällige Themen ein, die die Künstler dann anhand einer vorgegebenen Zeichnung ausführen sollten. Mantegna mag dabei als Hofkünstler größere Freiheiten genossen haben. Das von ihr gewünschte bel significato (dt: schön) sollte antike oder von der Antike inspirierte Themen behandeln. Die Liebe wurde dabei intensivst behandelt und im christlich-neuplatonischen Sinn interpretiert. Als Frau hatte sie der Zeit entsprechend gar keine andere Wahl, als die Liebe in einer geistig-höheren Form dargestellt zu sehen.
Abb 8. Andrea Mantegna, Minerva.

Die Bildinhalte stellen Herausforderungen und Probleme des menschlichen Lebens dar, über dem Triumph der himmlischen über die irdische Liebe, dem Sieg der Tugend über das Laster, so in visuelle Form gebracht, damit das eigene Leben und Handeln verständlicher wird, sowie auch als Lehre und Warnung verstanden werden können.

Isabella hatte sehr präzise Vorgaben im Thema, wie in der kompositorischen Anlage der Gemälde. Ihr Mut und ihr fast unbarmherziger Wille ihre Wünsche verwirklicht zu sehen, sprechen für diese einzigartige Person.
In der Planung ihres Studiolos wie ihres gesamten Lebens hat sie Nichts dem Zufall überlassen. Alles selbst in die Hand zu nehmen und energisch und selbstbewußt ihre Ziele zu verfolgen und sich immer wieder neu zu erfinden, das waren ihre Antreiber.

Auf dem Gebiet des Kunstsammelns setzte Isabella ihre Freunde, Ratgeber, Familienmitglieder wie Agenten ein, um besonders begehrte Trouvaillen zu erhalten. Ihr Netz spannte sich bis Griechenland und Kleinasien. Ihre geringeren finanziellen Mittel machte sie durch eifrigen brieflichen Einsatz wett und verhandelte oft über viele Jahre hinweg um bestimmte Stücke ihr Eigen nennen zu können. 



Studiolo und Grotta

1490 wurde Isabella d’Este mit Gianfrancesco II. Gonzaga verheiratet, dem Markgrafen von Mantua. Gemeinsam hatten sie acht Kinder.
16jährig kam Isabella also an den Hof von Mantua und zog in den Palazzo Ducale ein, der heute mit seinen 38.000 qm als zweitgrößter Herrschaftskomplex nach dem Vatikan gilt. Abb. 9 und 10.
Bald nach ihrer Ankunft begann die junge Marchesa mit der Ausschmückung ihrer Gemächer, die sich im ersten Stock des mittelalterlichen Kastells San Giorgio befanden. Hier entstanden in zwei übereinander liegenden Räumen das Studiolo und die tiefer gelegene Grotta, die zur Schatzkammer ihrer Antikensammlung wurde. Abb. 11.

Der Humanist und Sekretär Isabellas, Mario Equicola, schrieb 1525 in seinem Werk “De natura de amore", folgendes über diese besonderen Schatzkammern: “Diese (die Markgräfin) hat, außer den anderen an sich schon sehr komfortablen Wohnungen, die mit antiken Statuen und hervorragenden Bildern geschmückt sind, eine Grotte bauen lassen, die keine Ähnlichkeit hat mit der des homereschen Zyklopen, nicht mit den vergilischen, nicht zurücksteht hinter der Grotte, die nach der Sage auf dem Parnass sein soll, sondern noch erhabener, eindrucksvoller und gesünder ist.
Ich bin sicher, wenn die Musen in Italien wohnen wollten, würden sie diese zu ihrem ständigen Wohnsitz wählen, weil sie kunstvoll errichtet und überreich an Kostbarkeiten aller Art ist. Das Licht empfängt sie mehr vom Osten als vom Süden, und zufrieden mit ihrer eigenen Luft, braucht sie darüber hinaus nichts. Sie hat in sich eingeschlossen die Kühle und die gemäßigte Wärme. Das Gewölbe in Goldblättchen mit den Pausen der musikalischen Harmonie, das zur rechten Zeit zu schweigen gebietet, und die Papierstreifen der zusammengebundenen Lose, die in leuchtendster Farbe erscheinen, sättigen das Auge, ohne es zu ermüden. Die Seitenwände, die geschmückt sind mit Intarsien mit winzigen Figuren aus Holz in dessen natürlicher, nicht künstlicher Farbe mit Musikinstrumenten, Säulenhallen, Tempeln, Städten, Dörfern und Landschaften erfreuen den Geist, ohne ihn zu belästigen. Sie beglücken das Auge weit mehr, als wenn es Brokatteppiche wären, wie sie Reiche besitzen und zu verschiedenen Zwecken benutzen. Dieser Schmuck ist noch kostbarer als die Inkrustationen des Kaisers Titus, die von Stein wie Kristall erglänzten, noch aufwendiger als das Camerino des Tiberius mit seinen Spiegelscheiben, noch angenehmer als der verschwenderische Schmuck Neros, noch reizender für das Auge als der goldene Boden des Heliogabal.” Abb.12. Rekonstruktion

“Dass Isabella ihre Grotta durch Holz-Intarsien nobilitieren wollte, spricht für ihren Ehrgeiz, nur das Neueste, Qualitätvollste und Nobelste um sich zu haben. Und dieser Ehrgeiz, wurde auch durch ihren Humanisten Mario Equicola 1525 entsprechend gewürdigt, als er ihr Camerino mit denen der römischen Kaiser verglich und dabei ihrer Holzausstattung den Vorzug gegen andere mit Bergkristall, Spiegel und anderen preziösen Steinen ausgelegten Räumen gab.” (siehe Sylvia Ferino-Pagden)

Neuen Witwen-Gemächer in der Corte Vecchia

Die letzten 18 Jahre ihres Lebens residierte Isabella d’Este nach dem Tod ihres Ehemann in den Neuen Gemächern der Corte Vecchia. Diese waren ebenerdig angelegt und bestanden im wesentlichen aus zwei Flügeln, dem sogenannten Appartamento della Grotta und dem Appartamento di Santa Croce, die in L-Form einander zugewandt waren. Hier wurde ein neues Studiolo und eine neue Grotta angelegt, größer und prächtiger als zuvor. Architektonisch geräumig und großzügig gestaltet mit bepflanzten Höfen, einer offenen Loggia mit gemalten Stadtansichten von Konstantinopel, Ferrara, Kairo u.a. einem geheimen Garten mit Zitrusgewächsen und duftenden Jasminsträuchern, enthielten sie großartige Säle mit Stuckfriesen all’antica, mit prächtig geschnitzten Decken, Tondi, prunkvollen Wandbehängen und vieles mehr. Isabella wohnte mit ihrem Gefolge in den weiträumigen Gemächern des Appartamento di Santa Croce. Sie ließ die meisten Räume von Lorenzo Leombruno neu ausmalen, meist mit Friesen, in denen sich Mischwesen zwischen floralen Grotesken tummelten. Abb. 13,14,15

Im unteren Wandbereich einiger Räume haben sich in Schwarz auf gelbem Grund gemalte Impresen und dekorative Knotenmuster erhalten.
Das Programm bringt wiederum die für Isabella so bedeutende Thematik der Liebe und der Keuschheit, der sinnvollen geistigen gegenüber den so sinnlosen triebhaften Beschäftigungen.

Die Tür stammt von Giancristoforo Romano um 1505. Minerva und eine Auswahl von Musen füllen die Reliefs der Türspiegel.

Es dauerte mehr als zehn Jahre bis die Wände des Studiolo mit Werken von Mantegna, Perugino und Lorenzo Costa gehängt waren.

Die Grotta war mit rund 14 qm fast genauso groß wie das Studiolo und mit 2,72 m Höhe etwa halb so hoch und wurde über eine steile Treppe vom darüber liegenden Studierzimmer erreicht.
Antonio und Paolo Mola stellten auch die acht Wandschränke her, in denen ein Teil der Sammlung untergebracht war. Aussen waren die Schränke mit kunstvollen Holzintarsien versehen. Vier Schranktüren zeigen auch Stadtveduten, zwei andere sind mit Musikinstrumenten verziert und zwei weitere mit Notationen. Abb. 16
Abb. 17. Skulptur des Apollo von Pier Jacopo Alari-Bonacolsi gen. “Antico”. Solche besonderen Kunstwerke konnten sich in den Wandschränken mit den noblen hölzernen Intarsientüren befinden.

Diese achteckigen Majolika-Bodenfliesen Abb. 18 zeigen Isabellas eigene Impresen:
1. ISAB ESTE MR MAN (Isabella Estensis Marchesa Mantua)
2. das verschlungene Y S (Ysabella)
3. NEC SPE NEC METU (Weder Hoffnung noch Furcht)
4. XXVII (27 als Harmoniezahl)


Porträts und Aussehen

Der Humanist Mario Equicola, seit 1508 Sekretär an ihrem Hof beschrieb das Aussehen Isabellas folgendermassen: “I hr Körper ist wohlgebaut, weder schlank noch feist. Das Haar hellblond, die schwarzen Augen glänzend und strahlend, jene ruhigen und blitzenden Fackeln der Augen krönt der Bogen der Brauen. Die Nase höchst reizvoll eingebogen, das milchweiße Gesicht ist ziemlich rund und voller Röte. Milchweiß ist das Gefüge der Zähne. Wie gedrechselt erhebt sich aus der breiten Brust der Hals. Da die Taille ziemlich schmal ist, ist die Rundung des Gürtels sehr klein. Die Hand ist schlank und voller Saft. Die Haltung des ganzen Körpers zeigt sie in der Tat als weit über einer Sterblichen stehend.” Isabella besaß zweifellos dieses gewisse Etwas, das wir als Charisma definieren.

War gerade in dieser Zeit der Wettstreit, Paragone zwischen den Künsten, der Malerei mit der Skulptur, mit der Architektur, aber auch der Musik und besonders mit der Dichtung hochaktuell, wie bereits oben schon angeführt, so mag Gian Giorgio Trissinos literarisches Porträt der Marchesa von 1514 mehr zugesagt haben, als alle Gemälde und Büsten.
Sein “literarisches Porträt” ließ sich wesentlich leichter verarbeiten als ein gemaltes und war in ganz anderer Form zugänglich. Trissino selbst mag damit ganz bewußt in den Wettstreit der dichtenden Malerei bzw. der malenden Dichtung eingestiegen sein, und vielleicht mag er mit einer solchen Schöpfung Leonardo da Vinci herausgefordert haben, der sich gerade auf dem Gebiet des Porträts sehr dezidiert gegen die Vormachtstellung der Dichtung geäußert hat. Denn Leonardo weist hin, dass ein gemaltes Porträt sehr wohl simultan erfaßt werden kann, gegenüber der nacheinander folgenden Beschreibung der Einzelheiten in einer Dichtung.
Leonardo da Vinci: “Der Dichter will sich darin mit dem Maler messen, doch wird ihm nicht klar dabei, dass seine Worte, während sie die einzelnen Teile solcher Schönheiten beschreiben, von der Zeitabfolge getrennt werden, und das Vergessen ermöglichen, und dass er die Proportionen nicht ohne großen Wortaufwand beschreiben kann und folglich auch das harmonische Verhältnis, das aus göttlichen Proportionen besteht, nicht komponieren kann.
Aus diesem Grund kann man in demselben Zeitraum, in dem man eine gemalte Schönheit erfassen kann, nicht die Beschreibung einer solchen erfassen, und es ist gegen die Natur, was man mit dem Auge schauen soll, mit dem Ohr hören zu müssen.” Abb.20 Kartonskizze Leonardos.

Impresen
waren zum größten Teil einfache, geistreich verschlüsselte Lebensweisheiten. Vielfach handelte es sich dabei um offensichtliche Gegensätze, in deren Anerkennung oder Negierung oder ganz einfach in deren Ausgewogenheit der Erfolg oder die Meisterung des Lebens bestand. Die Imprese besteht dabei im klassischen Fall aus einem Motto und einem Zeichen, Bild oder Symbol, wobei Schrift und Bild einander ergänzen können oder manchmal einander ersetzen. Die Imprese mag dabei auf den Namen des Trägers, auf spezifische Unternehmungen oder seine persönlichen Ziele und Einstellungen anspielen.

In der Renaissance galt allgemein der Brauch Impresen zu führen zum guten Ton und das Erfinden von Impresen gehörte zu einer besonders anerkannten “philosophisch-poetischen” Tätigkeit. So mußte sich darin auch Isabella auszeichnen. Zu den frühesten Impresen Isabellas gehören die auf der Holzdecke der Grotta des Kastells abwechselnd wiederkehrenden Lottobündel, ein “Symbol des Verborgen-Vieldeutigen der Zukunft, oder ganz einfach des Glücksspiels, was im weiteren Sinn bedeuten mag, dass man an seinem eigenen Schicksal mitwirken kann.
Abb. 21. Dosso Dossis, Allegorie der Fortuna mit in der Hand gehaltenen Papierstreifen, der sogenannten Lottobündel.

Die Imprese der Tempi und Pausen Abb. 22  bestünde nach den genaueren Analysen aus einem C-Schlüssel, vier übereinander stehenden Zensurzeichen für verschiedene Tempi und mehreren symmetrisch angeordneten Pausenzeichen und einem Wiederholungszeichen. Bedeuten die Tempi den Lauf der Zeit, dann stehen die Pausen für “Schweigen” und die in unendlicher Wiederholung.
Die Zeit gut zu nützen und sich des Silentiums zu bemächtigen, sind Maxime des Studiums, des kontemplativen Menschen. Isabella war sich über die rasche Vergänglichkeit der Zeit stark bewußt und war sehr darauf bedacht jede Minute ihres Lebens bewußt zu leben und für bedeutende Dinge zu nützen. Daher rühren wohl ihre Emsigkeit und ihre geistige Regsamkeit, die Wissbegierde um alles Neue, Bedeutende und Qualitätvolle im Leben.
Dass sie dieses Zeichen aus dem Bereich der Musik gewählt hatte, ist dabei ganz naheliegend, spielte sie doch selbst Instrumente und hatte sie doch schon früh Poesien gedichtet, um sie vertonen zu lassen. Schweigen - Silentium als Mysterium - als Kontrapunkt des Sprechens wurde in dieser Zeit auch bereits unter den Humanisten und ganz besonders unter den Neuplatonikern erörtert. Weiters die Imprese “Nec Spe nec Metu” - Weder Hoffnung noch Furcht, und die Zahl XXVII als Harmoniezahl - hieße - ihr seid besiegt, alle konträren Mächte sind besiegt; sowie ein dreifacher Kandelaber, soll Isabella als Licht ihrer Zeit deuten. Ihre Anfangsbuchstaben Y und S sowie das Alfa und Omega und das typische Gonzaga-Signum das Labyrinth.
Abb. 23

Abschließend soll ihr als ungekrönten Königin Italiens noch eine kurze Bildbeschreibung zur Erinnerung und Ehre gereichen. 

Das Bild von Lorenzo Costa, die Krönung der Isabella (auch “Musenhof der Isabella d’Este” genannt) Abb. 24.
Nach dessen Fertigstellung waren Isabella und ihr Gatte so zufrieden damit, dass sie Costa einluden an ihren Hof zu kommen und nach Andrea Mantegnas Tod ihr neuer Hofmaler zu werden. Costa malte insgesamt fünf Bilder für Isabellas Studiolo.

Bildbeschreibung: Dargestellt ist eine liebliche Landschaft mit einem mäandernden Fluß zur Linken und einem elysischen Gefilde rechts davon, wo die eigentliche Handlung stattfindet, der Schauplatz der Szene. Die figurale rechte Anordnung ist eher statisch-symmetrisch angelegt und zentralperspektivisch in die Tiefe ausgerichtet. Auf belichtetem, halbkreisförmigem Terrain und im Hintergrund von einem Baumspalier abgefangen, findet die Krönungsszene statt: ein auf dem Schoß einer weiß-blau gekleideten, sitzenden jungen blonden Frau stehender Putto krönt eine in prächtigem rot-weißen Gewand stehende, und ihr Haupt neigende, junge Frau mit einem Myrtenkranz. Um sie herum steht eine Gruppe von Dichtern und Musikern verschiedenen Alters, in ausgewählten Aufmachungen - mit Turbanen und Kopfbedeckungen unterschiedlichster Art - schreibend, inspiriert, musizierend oder kontemplativ.
Nach vorne zu wird dieser heilige Hain von einem niedrigen Zaun begrenzt und die zentrale Öffnung darin wird in der Mitte von zwei anmutigen, jungen, weiblichen, sitzenden Geschöpfen “bewacht”; die linke, in weiß-rotem Kleid legt einem Rind (Symboltier für Beharrlichkeit) einen Kranz auf den Kopf, die rechts davon, in weiß-blau, schmückt ein Schaf (steht symbolisch für Unschuld und Reinheit in Bezug auf Diana, die Göttin der Jagd). Beiderseits von ihnen steht je ein majestätischer Reiher - als symbolischer Beschützer der Tugend. Rechts und links davon und räumlich davor, weitere Wesen: rechts die halbentblößte Nymphe mit dem Bogen und links ein bärtiger Krieger in Rüstung. Er hält mit seinem Speer einen zum Symboltier verkleinerten Drachen in Schach. Zur Linken dieses Kriegers ist in der Ferne eine berittene Kampfszene erkennbar und noch weiter im Hintergrund ein Segelschiff mit eingezogenen Segeln. Unmittelbar davor, auch ganz in der Ferne, eine Dame in rot mit Hund und Begleiter und links weitere P ersonen.
Rechts hinter der Nymphe im Hintergrund innerhalb bzw. außerhalb des heiligen Haines teils entblößte, teils nackte, männliche und weibliche Figuren, deren Aktionen ebenso schwer deutbar sind, wie im Grunde die ganze Szene. Beispielhaft soll dieses komplex komponierte Bild für Isabellas Geschmack und Einfallsreichtum stehen. Sie forderte wissend jedes Detail.

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Wolfgang Liebenwein schreibt in seinem Werk “Studiolo. Die Entstehung eines Raumtyps und seine Entwicklung bis um 1600. (Berlin 1977) folgendes: “Angesichts einer solchen Sammelleidenschaft und eines Auftraggebertums, das bereits damals an ästhetisch Vergleich- und Austauschbarem interessiert war, hat man in den Bestrebungen Isabellas die Keimzelle der späteren Kunstsammlungen und Kunstmuseen gesehen.”

Ich schließe diesen Blog hiermit, der einen kleinen Einblick in diese umfassende Sammelleidenschaft und stetes Studium der Markgräfin von Mantua kurz erläuterte und wir freuen uns über Ihre Anregungen, Fragen, Interesse um in einzelne Teilbereiche näher einzutauchen.

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Hier setzt ein Exkurs zur Persönlichkeit und dem humanistischen Ideal der Renaissance aus der Biografie von Jan Lauts (siehe Literatur) an. Abb. 25.

Als wesentlich empfand man in der Renaissance die Reize eines lebendig sprühenden Temperaments, geistiger Beweglichkeit impulsiver menschlicher Wärme und einer ansteckenden Laune; ein festlich heiterer Optimismus und weiblicher Charme erfüllen alle Lebensäußerungen dieser einzigartigen Frau. Eine zähe, herrschgewohnte Willenskraft, die sich durch nichts vom Ziel abbringen läßt und jene wendige Intelligenz, die Graf Baldassare Castiglione als prontezza d’ingegno gerade auch bei der Frau nicht missen möchte.
(sic: Niemand hat das Idealbild der Frau im geschriebenen Wort so klaren Ausdruck gegeben wie Castiglione in jenen 4 Büchern vom vollkommenen Hofmann, die 1524 bei Aldo Manuzio im Druck erschienen. Castiglione war der vollendetste Kavalier seiner Zeit.)

Im Wechsel höfisch-festlichen Treibens, praktischer Bewährung und philosophischer Diskussion suchte man hier nach den verpflichtenden Normen und verbindlichen Lebensformen der kultivierten Menschen und einer edlen Geselligkeit. Castiglione setzt ein neues Menschenbild entgegen, das nach dem harmonischen Ausgleich aller inneren und äußeren Kräfte sucht, nach dem ausgewogen mittleren Maß und universaler Rundung der Persönlichkeit. Für die äußere Form ist bona grazia das Ziel, eine nur durch höchste Bewusstheit zu erreichende reine Einfachheit, die den Anschein erweckt, als ob die Natur selbst spreche”; auch die schwerste Leistung, die das Leben dem Menschen abfordern kann, muss immer noch den Charakter des Anmutigen und Selbstverständlichen tragen, so “als ob sie ohne Mühe geschehe und gleichsam ohne dass ein Gedanke daran verschwendet erscheint.”
Als schlimmster Fehler wird die affettazione gebrandmarkt, das Gesuchte, Übersteigerte, Preziöse. Die menschliche Individualität ist dabei nicht in die starren Formen eines Schemas gepreßt; ihre Lebensfülle soll sich nur an den hohen Forderungen eines ausgeglichenen Typus läutern, dem jegliches Extrem fern liegt. Obgleich die Ansprüche des christlichen Glaubens an die Lebensgestaltung unbestritten bleiben, wird das Bild der Persönlichkeit doch mehr durch ästhetisch-formale als durch sittliche Postulate bestimmt; besser gesagt: beide bedingen einander so sehr, dass sie als Eines empfunden werden.
Für Castiglione ist das Idealbild des Menschen, wie es die Griechen geprägt und durch die Schriften ihrer Philosophen überliefert hatten, aus den Voraussetzungen und Lebensformen der eigenen Zeit zum wirklichen Erlebnis geworden; dass er diesem eine neue Form zu verleihen wußte, die seine ganze Generation als verbindlich anerkannte, ist seine bedeutende Leistung.

Kaum jemals hat sich der italienische Charakter so sehr als legitimer Erbe der Alten gezeigt wie in diesem Augenblick seiner Geschichte; kein anderer Augenblick ist so sehr “Renaissance” im eigentlichen Sinne des Wortes gewesen, echte Wiedergeburt der Antike. Auch das Bild der Frau behält im “Cortegiano” den festen Grund im Leben und eine Natürlichkeit, die alle Seiten und Ausdrucksformen weiblichen Wesens bejaht; doch soll die Gesamtheit der Lebensäußerungen durch Selbstbeobachtung und Disziplin zum harmonisch geformten Kunstwerk erhöht werden.

Isabella ist ihn hohem Maße eigen, was Castiglione als dolcezza feminine vor allem von der vollkommenen Frau verlangt, eine impulsive Weiblichkeit, die dem Manne und seinen typischen Eigenschaften nicht gleich sein will. Weiblich ist alles Handeln und Denken der Marchesa von Mantua, weiblich sogar ihre politische Aktivität: stellt diese doch nichts anderes dar als den Kampf der Gattin, Mutter und Schwester, die ohne Skrupel alle Künste diplomatischen Ränkespiels ins Treffen führt, um eine durch die Übergriffe der Mächtigen in den elementarsten Grundlagen ständig bedrohte Existenz zu sichern und der Familie das angestammte Erbe zu erhalten. Ein regsamer, stets nach Neuem suchender Geist läßt Isabella mit unersättlichem Wissensdurst an allen Fragen und Problemen teilnehmen, von denen sich ihre Zeit bewegt sieht. Spontan und temperamentvoll, fest im Leben stehend, fühlt sie dabei doch nie den Ehrgeiz, etwa als gelehrte Frau glänzen zu wollen; auch hierin entspricht sie der Vorstellung vom uomo universale, der als fein gebildeter Dilettant und Amateur die geistige oder künstlerische Leistung würdigen und der Anerkennung des Geschaffenen, durch sein Verständnis und eine Art produktiver Aufnahmefähigkeit, Bahn brechen soll. Isabellas sicheres Urteil, ihr Empfinden für künstlerische Qualität und ihre Begeisterungsfähigkeit für die Schönheit der Form an sich mußten ihr in dieser Epoche eines ästhetischen Lebenskults die unbestrittene Autorität unter den Zeitgenossen sichern. Wenn Leonardo da Vinci, Raffael und Ariosi dem Formideal des Klassischen im Kunstwerk die bleibende Gestalt verliehen, so haben Castiglione und Isabella d’Este es als Leistung ihres Lebens zu verwirklichen gesucht. Damit sind sie die vornehmsten Repräsentanten der gesellschaftlichen Kultur ihrer Zeit in dem Lande geworden, von welchem sein Dichter Altieri einmal sagt, in ihm “erwachse die Pflanze Mensch am vollkommensten”.

Exkurs Ende



Alle Bilder sind aus der öffentlichen Wikipedia Media Quelle sowie aus dem Ausstellungskatalog des KHM, Wien von 1994 “La prima donna del mondo“ Isabella d’Este. Fürstin und Mäzenatin der Renaissance, entnommen.



LITERATUR:

Jan Lauts, Isabella d’Este. Fürstin der Renaissance. 1474–1539. Marion von Schröder Verlag, Hamburg 1952.

Sylvia Ferino-Pagden, „La prima donna del mondo“ Isabella d’Este. Fürstin und Mäzenatin der Renaissance. Ausstellungskatalog. Kunsthistorisches Museum, Wien 1994.

Britta Jürgs, Sammeln nur um zu besitzen? Kunstsammlerinnen, Berlin 2000

Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien. (Erstausgabe 1860), Frankfurt am Main 2003

Wolfgang Liebenwein, Studiolo. Die Entstehung eines Raumtyps und seine Entwicklung bis um 1600. Berlin 1977

Ursula I. Meyer, Die Welt der Philosophin, Renaissance und frühe Neuzeit, 2. Band, 1996

Frieda, Leonie, The Deadly Sisterhood: A Story of Women, Power, and Intrigue in the Italian Renaissance 1427—1527. 2012.

Jackson-Laufer, Guida M. Women Who Ruled: A Biographical Encyclopedia. Barnes & Noble Books, 1998.

Prescott, Orville. Princes of the Renaissance. Allen & Irwin, 1970.

www.medievalwomen.org https://www.medievalwomen.org/isabella-drsquoeste.html

Abbildungsverzeichnis:

Abb. 1. Isabella im Heiratsalter von ca. 16 Jahren, Palazzo Ducale 16. Jhdt. entstanden, war auf Schloss Ambrass in Tirol, nun im KHM Wien.

Abb 2. Odoardo Stivini-Inventar von 1542, enthält 1620 Gegenstände der Sammlung, entstand 3 Jahre nach Isabellas Tod. Handschrift auf Pergament.

Abb 3. Zeittafel berühmter Frauenpersönlichkeiten der Renaissance.

Abb 4. Vitruvianischer Mensch von Leonardo da Vinci. ca. 1490, Feder und Tinte auf Papier, 34,4 × 24,5 cm, Galleria dell’ Accademia, Venedig.

Abb. 5. Isabella in Schwarz, verjüngend gemalt, Tizian, 1534/36, KHM. Kopfbedeckung und Pausen-Imprese an den Ärmeln. Als Tizian dieses Bild malte, war die Markgräfin bereits um die 60 Jahre alt. Es ist das Bildnis von einem Bildnis von einem Bildnis.

Abb. 6. Isabella d’Este, Lucas Emil Vosteman nach Sir Peter Paul Rubens, 1595-1675, engraving, Rosenwald Collection, 1950.14.450 Courtesy National Gallery of Art, Washington.

Abb 7. Andrea Mantegna, Parnass, Tempera auf Leinwand, 160 x 192 cm, Musée du Louvre, Paris.

Abb 8. Andrea Mantegna, Minerva vertreibt die Laster aus dem Garten der Tugend, Tempera auf Leinwand, 160 x 192 cm Musée du Louvre, Paris.

Abb. 9. Kastel San Giorgio im Palazzo Ducale in Mantua mit linkem hervorgehobenen kleinen Wehrturm, wo sich das erste Studiolo und die Grotta befanden.

Abb. 10. Ensemble Palazzo Ducale in Mantua, ca. 38.000 qm.

Abb. 11. Blick in die erste Grotta mit vergoldeter Kassettendecke.

Abb. 12. Rekonstruktion, 1911 wurde Ausstattung von Studiolo und Grotte für den Pavillon der lombardischen Kunsthandwerker in der großen Ausstellung italienischen Kunsthandwerks in Turin sorgfältig kopiert. Erst 1933 nach dem 1. Weltkrieg rekonstruierte man die ursprünglichen Räume in der Corte Vecchia, sichtete verbliebene Ausstattungsstücke, renovierte und passte neu an.

Abb. 13. Zweites Studiolo mit Holzvertäfelungen, Holzintarsien mit Stadtveduten, Marmortondi-Türe, Impresen…

Abb.14. Grotta Decke der Gebrüder Antonio und Paolo Mola von 1507 mit Gold verziert und der persönlichen Sinnbilder. Vergoldete Kandelaber flankierten an den Seitenwänden die Gemälde.

Abb. 15. Freskendekoration von Lorenzo Leonbruno mit Jagdszenen in den Lünetten und Venus in der Schmiede des Vulkan, um 1522.

Abb. 16. Holzintarsie einer Stadtvedute in Zentralperspektive und musikalischer Notation unterhalb. Dahinter war ein Wandschrank mit Preziosen versteckt.

Abb. 17. Apollo Figur von Pier Jacopo Alari-Bonacolsi 1497/98, die einzige signierte Bronze, so auf dem Köcherriemen die Signatur ANT, Bronze, Haare, Mantel, Köcher und Köcherriemen sowie die Sandalen sind feuervergoldet; die Augen in Silber eingelegt. H-41,3 cm (mit originalem Sockel 45,2 cm). Frankfurt am Main, Liebighaus-Museum der Plastik. Insgesamt gibt es drei überlieferte Versionen Anticos.

Abb. 18. Achteckige Majolika-Bodenfliesen, glasierte Terracotta in Blau, Weiß, Grün und Braun.

Abb. 19. Terrakotta-Büste Isabella, Giancristoforo Romano, um 1500, 54,3 x 54,6 cm, ursprünglich polychromiert, Fort Worth Texas, Kimbel ArtMuseum.

Abb. 20. Leonardo da Vinci, Kartonskizze 1499 von Isabella, einzig erhaltene Zeichnung Leonardos von Isabella und weist große Ähnlichkeit mit dem seitlichen Porträt der Terrakotta-Büste auf.

Abb. 21. Dosso Dossi (Giovanni di Niccolo de Lutero), Allegori der Fortuna, 1530, Öl auf Leinwand, 178 x 216,5 cm. J. Paul Getty Museum, Malibu, Kalifornien.

Abb. 22. Impresen der musikalischen Tempi und Pausen, darüber verschlungenes Y und S für Ysabella.

Abb. 23. Decke mit Impresen und Wappen in den Neuen Gemächern der Corte Vecchia.

Abb. 24. Lorenzo Costa, Krönung Isabellas, Tempera und Öl auf Leinwand, 165 x 198 cm, Musée du Louvre. Paris.

Abb. 25. Prunkmedaille Isabella d’Este, Giancristoforo Romano, um 1505 gegossen in Gold, Fassung mit Edelsteinen und Emailbesatz, 69 mm, Münzkabinett, KHM Wien.

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